Freitag, 3. September 2010

Entspanntes Forschen

Man kann froh sein, wenn man auf einem Forschungsgebiet arbeitet, dass frei von Tabus und gesellschaftlichen Kontroversen ist.

Aktuelles Beispiel: An der Uni Oldenburg ist im Rahmen einer Masterarbeit eine Studie erstellt worden zu der Frage, ob Lehrer die Vornamen von Schülern, die sie sonst nicht kennen, bei der Benotung berücksichtgen (also Vorurteile haben). Die Studie gibt es hier. Kurz zusammengefasst: Es gibt einen solchen Effekt, aber er ist klein.

Das ist ein kontroverses Thema. Was passiert? Alle Medien berichten darüber. Und natürlich wird das Ergebnis, dass es eine Korrelation gibt, fett in der Überschrift herausposaunt. Dass der Effekt klein ist, steht dann irgendwo klein im Artikel. Und das weitere Ergebnis der Studie, dass nämlich der zufällige Unterschied bei der Bewertung derselben Schülerarbeit durch verschiedene Lehrer sehr groß ist, wird kaum erwähnt. Obwohl das ein wirklich bedenkliches Problem ist.

Aber den eigenlichen Skandal sehe ich woanders: Die Studentin, die die Masterarbeit angefertigt hat, will anonym bleiben. Die Arbeit soll unter einem Pseudonym erscheinen. Die Studentin befürchtet unter anderem Anfeindungen von Lehrern und Belästigungen von Journalisten.

Ich habe Verständnis für die Studentin. Aber es ist traurig, dass Wissenschaftler Angst vor Anfeindungen haben müssen, wenn sie Überbringer schlechter Nachrichten sind.

Normalerweise ärgert es mich, dass mein Forschungsgebiet in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen wird. Mir wäre ganz recht, wenn der Spiegel mal über mein letztes Forschungsergebnis berichten würde.

Aber andererseits forscht es sich doch auch entspannter, wenn man sich nicht mit Kontroversen Themen wie Lehrer-Vorurteilen beschäftigt. Wenn man sich die aktuellen Diskussionen um Thilo Sarrazins Buch ansieht, muss man vor den Wissenschaftlern Respekt haben, die sich noch trauen, Papiere zu veröffentlichen, in denen die Wörter "Intelligenz" und "Vererbung" vorkommen. Denn ob wahrgenommen wird, dass da auch noch die Worte "kein Zusammenhang" standen, ist fraglich.

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